Kolumne

Schulfrust? – Nix da!

Die ersten Wochen sind prägend

Ob in der ersten Klasse oder auch in einer höheren Jahrgangsstufe: Zu Beginn des Schuljahres ist die Lernmotivation am höchsten. Damit sie erhalten bleibt, müssen wir Lehrer alles daran setzen, jedem Kind Lernfortschritte zu ermöglichen und den Unterrichtsvormittag sinnvoll zu rhythmisieren. Es soll schließlich nicht so enden wie bei dem folgenden Beispiel:

Neulich sprach ich mit einer Freundin, deren zweites Enkelkind gerade eingeschult wurde und deren erstes Enkelkind nun in die vierte Klasse der Grundschule gekommen ist. Sie erzählte mir, wie sehr Sven – der „Große“ – damals von seinen ersten Wochen in der Schule enttäuscht war und wie sehr sie nun für den Kleinen hoffe, dass er in bessere pädagogische Hände geraten sei.
„Wir müssen immer nur malen! Ich will doch lesen und rechnen lernen!“, beklagte er sich nach den ersten Wochen und auch danach ging es für ihn in der Schule frustrierend weiter. Und so lernte er, die Schule „auszuhalten“ und sich irgendwie anzupassen. Trotz guter Noten kann er aber an der Sache „Schule“ nichts finden, was für ihn auch nur annähernd attraktiv wäre.
Was war damals bei Sven schiefgelaufen, der sich so sehr auf die Schule gefreut hatte und voller Erwartungen am ersten Schultag dort einpassierte?

  • Er beklagte sich bereits nach einigen Wochen, dass in der Schule nicht gelernt würde. „Immer nur malen – da lerne ich doch nichts!“
  • Rechnen sei so langweilig: „Ich kann schon alle Rechnungen auswendig, es ist immer dasselbe!“
  • Seine Fragen wurden als lästig empfunden, z.B.: „Warum soll ich den Elefanten lila malen?“

Dass Sven auch noch die Fibeltexte doof fand – „Das sind ja gar keine richtigen Geschichten!“ -, wo seine Mama ihm doch schon so viele tolle Bücher vorgelesen hatte und dass ihm das viele Sitzen schwerfiel, kam noch hinzu.

Am Anfang ist die Begeisterung so groß…

Was sollen wir Lehrer denn tun?

Hier geht’s nicht um Lehrer-Bashing, das wäre kontraproduktiv. Wenn du auf meiner Seite herumstöberst, dann bist du bereits auf der Suche nach alternativen Gestaltungsmöglichkeiten und gehörst sicher nicht zur Fraktion derjenigen, die Schulbücher und Arbeitshefte einfach abarbeiten und Lehrplanthemen, die im Wochenplan abgehakt wurden, auch als tatsächlich „erledigt“ betrachten.

Konstruktiv ist es immer, nach Lösungen zu suchen. Am Meckern und Kritisieren sind schon genügend Fachleute unbd Laien beteiligt, das bringt niemand weiter.
Allerdings – und das ist eine andere Sache – müssen Probleme erst einmal zur Kenntnis und ernst genommen werden, damit man an den zweiten Schritt – die Lösung – überhaupt gehen kann.
Sven hat uns mit seinen Beschwerdepunkten bereits die Richtung vorgegeben.

Richtige Arbeit und richtiges Lernen – das kann durchaus spielerisch sein

Diese Kinder lernen – auch wenn es „nur“ nach Spielen aussieht

Kinder – und damit meine ich alles bis zur Pubertät – wollen lernen. Das ist nicht die blauäugige Behauptung einer Idealistin, sondern eine durch die Gehirnforschung vielfach belegte Tatsache. Unsere Aufgabe als Fachleute ist es, ihnen entsprechende Gelegenheiten zu bieten.
Wir müssen vom ersten Schultag an das Unternehmen Schule so präsentieren, dass es einen anderen, verbindlicheren Charakter hat als der Kindergarten.
Ich zähle auf, womit ich die besten Erfahrungen gemacht habe:

  • Tägliche Hausaufgaben, die überschaubar, aber verpflichtend sind und die „richtiges“ Lernen zum Inhalt haben;
  • Öffnen des Zahlenraumes bis zwanzig bereits am zweiten Schultag (mehr dazu weiter unten)
  • Lesenlernen mit echten Geschichten und vielen gemeinsamen Aktivitäten (mehr dazu weiter unten)

Kampf der mathematischen Langeweile

Öffne den Zahlenraum bis zwanzig! Und zwar sofort! Und wenn du das bis jetzt noch nicht gemacht hast, so ist es noch nicht zu spät! Du kannst so viele spielerische Aktivitäten in diesem Zahlenraum unterbringen und den Kindern einen Zugang zur wunderbaren Zahlenwelt geben, der auf Verständnis und nicht auf dem öden Wiederholen der Immer-gleichen-Aufgaben basiert und damit nur zum sturen Zählen und Auswendiglernen, niemals aber zum Denken und echten Rechnen führt.
Wie das geht, willst du wissen? Darüber gibt es in meinem Matheblog bereits viele Informationen und außerdem meine Bücher zum elementaren Rechnen – die sind übrigens auch noch für Dritt- und Viertklasslehrer interessant!

Jedes Kind ein Individuum – wie soll das denn gehen?

Sven ist ein Kind, das in der Schule aktiv mitmachen möchte – oder zumindest war er das zu Beginn seiner Laufbahn. Solche Kinder würden wir uns doch „eigentlich“ wünschen, oder? Das heißt aber auch, dass Kinder, die aktiv dabei sind, manches genauer wissen wollen, nach Begründungen fragen. Und da wären wir bei einem echt bedeutsamen Erziehungsziel – hin zum mündigen Bürger.

Was ist denn dabei, wenn wir unseren Schülern erklären, warum manches in der Schule so und nicht anders gemacht wird?

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir Lehrer das selber wissen, uns Gedanken darüber machen und hinter Inhalten und Methoden überzeugt stehen. Die Begründung: „Das macht man eben so!“, ist relativ wenig aussagekräftig und wird ein aufgewecktes Kind – und auch solche hätten wir doch ganz gern – nicht zufriedenstellen.

Ein weiterer allerwichtigster Punkt individualisierter Pädagogik und Didaktik ist das Implementieren von täglichen Freiarbeitsphasen in den Unterricht, und zwar von Anfang an und in jeder Jahrgangsstufe. Freiarbeit, die gut organisiert, überwacht und mit täglichem Feedback erfolgt, ist der Königsweg zur passgenauen Förderung von Kindern.

Sinnvolle Hausaufgaben sind keine Gemeinheit der Lehrer, sondern dienen dem Aufbau selbständiger und gewissenhafter Arbeit

Das Thema „Hausaufgaben“ wird sehr kontrovers diskutiert. Wenn damit nicht mehr verbunden ist als das mehr oder weniger gedankenlose Zuteilen von Seiten in einem fertigen Arbeitsheft, dann haben sie wirklich nur wenig Effekt.
Das kann allerdings auch anders sein. Nehmen wir die Rechenhausaufgabe. Da wird im Regelfall den Kindern eine bestimmte Menge an Rechnungen aufgegeben. Nun sind einige Schüler bereits nach kurzer Zeit damit fertig und andere verzweifeln schier daran. Wenn aber genügend Stoff zur Verfügung gestellt wird und alle Kinder 15 Minuten arbeiten sollen, dann ist die individuelle Menge an Arbeit für alle gleich, die Qualität jedoch so, dass sie zum einzelnen Schüler passt. Die flotten Rechner werdenmehr Aufgaben bewältigen als die unsicheren. Jeder aber übt das für ihn Wichtige:

Der unsichere Rechner hat die Muße, einige wenige Aufgaben gründlich zu durchdenken und der gute Rechner kann durch die Übung noch flotter und sicherer werden. Es ist also für den einen eine Power- und für den anderen eine Speed-Übung.


Für diesen Ansatz lassen sich bei allen Fächern und Themen Beispiele finden, sodass die Hausaufgabe zum sinnvollen Training wird.

Lebenslange Leselust wird nicht durch belanglose Texte erzeugt

Wer flott und sinnentnehmend lesen kann und auch längere und komplexe Texte versteht, der ist nicht nur während Schulzeit, Ausbildung und Studium im Vorteil, sondern das ganze Leben lang. Allerdings wird von allen möglichen Seiten beklagt, dass viele junge Leute – selbst wenn sie das Abitur haben – dazu nicht mehr in der Lage sind. Gerade in der heutigen Zeit, in der Unterhaltung auf Knopfdruck und ohne jede eigene Anstrengung immer und überall zur Verfügung steht, ist es nötig, die Fähigkeit des Lesens von Anfang an als erstrebenswertes Gut zu „verkaufen“. Wie aber sieht das pädagogische Verkaufsgeschick aus? Zum Beispiel so:

Auch wenn die Fibelbilder bunt sind – die drögen Texte der ersten Lesewochen sind nichts, was es erstrebenswert erscheinen lässt, dafür die Mühen des Lesenlernens auf sich zu nehmen.

Über dieses Thema kannst du dich in meinem Buch Lesenlernen mit links ausführlich informieren und vor allem: du findest darin reichlich Material, um Lesenlernen von Anfang an mit echten Geschichten „ans Kind“ zu bringen. Hier kannst du die Lerneinheit zum“E“ mit der Geschichte von Ella Elefant herunterladen, sozusagen als „Appetizer“ auf die Lerntipps und Buchstabengeschichten.

Das erste Trimester dieses Schuljahres ist zur Hälfte vorbei. Und wenn du in diesen ersten Wochen in deiner Klasse erlebt hast, dass die Anfangsbegeisterung bereits am Schwinden ist, dann hast du immer noch Gelegenheit, das pädagogische Steuer in eine andere Richtung zu lenken. Und das gilt für alle Jahrgangsstufen, auch wenn hier vorrangig die erste Klasse angesprochen wurde.

Aber:
Steigerung der Leselust durch tägliches Vorlesen,
Freiarbeit,
individuelle Förderung und Coaching,
Förderung der Gruppenkohäsion,
Aufbau einer funktionierenden Ordnungsstruktur
und vieles mehr kann dir und deinen Schülern in jeder Jahrgangsstufe helfen, den schulischen Alltag gut zu bewältigen.

Darüber findest du viele Anregungen in meinen Büchern „Disziplin – kein Schnee von gestern“ und „Unterricht entschleunigen.“